Stammabend 4. April 2012
Wo beginnt das Meer? Natürlich in Basel … Wie kommt man zum Meer? Natürlich via Basel … Dies sagten sich auch Markus Fliss und Catherine Woodtli, unser Referentenpaar, die vor einem begeisterten 80 köpfigen Publikum ihre Tonbildschau präsentieren und kommentieren durfte.
Ihre grosse Segelkarriere sollte einen weiteren Höhepunkt erreichen. Mit der „Escape“ wurde eine klassische Ketsch mit wenig Tiefgang second-hand gekauft und optimiert, eine Yacht, die für eine Flussfahrt ebenso wie für „grosse Fahrt“ geeignet ist. Genügend grosse Wasser- und Dieseltanks erlauben eine entsprechende Unabhängigkeit von der Landinfrastruktur und viel „Most“ für die geplante lange Flussfahrt.
Am 14. Mai 2010 startet das Abenteuer in Dannearie in der Nähe von Basel. An Bord sind nebst Markus und Catherine auch zwei Bordhunde, einen für Steuer-, einen für Backbord. Via Doubs geht’s nach Mulhouse zum Rhein, der dann in Mainz verlassen wird, um via Main, Main-Donau-Kanal in Kehlheim endlich die Donau zu erreichen. Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Serbien und Rumänien, bzw. Bulgarien bilden die Etappen zum Schwarzen Meer.
Einmal mehr bewahrheitet sich, dass das Schöne so nahe liegt. Phantastische Landschaften wechseln ab mit Bildern von Schlössern und Burgen. Schöne Altstädte, sei es Wien oder Budapest, aber auch kleinere Städtchen und Dörfer, laden ein zu Speis und Trank, zur Entdeckung unserer eigenen Vergangenheit. Menschen, so nah und oft doch so exotisch, begleiten uns auf diesem Wasserweg. Dazwischen immer wieder auch nautische Leckerbissen wie die grossen Hebewerke, Schleusen und Kanäle, oft Investitionsruinen aus der sozialistischen Zeit oder mit EU-Geldern finanziert.
Apropos Schleusen, es sind deren 85, die passiert werden dürfen. Darunter eine, deren Wassereinlass unten positioniert ist und deren Düsen die Yacht seitlich stabilisieren. Mit etwas Schubkraft wird die Position der „Escape“ in Längsrichtung stabil gehalten. Auch für den schleusenerfahrenen Markus eine neue Erfahrung.
Wie löst man das Problem der km-Zählung, wenn die Quelle unklar ist? Die akademisch perfekte Lösung dazu: Man misst die Distanz umgekehrt zur Normallogik, d.h. von der Mündung her. Genau dies hat man bei der Donau gemacht. So endet die Reise auch heute noch bei km Null.
Die Kilometerangaben sind von zentraler Bedeutung bei der Navigation. Trotz sehr gutem Kartenmaterial muss vorsichtig navigiert werden, verändern sich doch die Untiefen von Jahr zu Jahr. Auf die Tonnen ist nicht immer Verlass. Ab und zu „küssen“ sich die roten und grünen Tonnen und die Durchfahrt ist irgendwo … So ist halt der „wilde Osten“.
Grundsätzlich ist die Reise risikoarm, doch man weiss ja nie …
Für diese Fälle sind die beiden Bordhunde da, die auch mal einen „balkanesischen“ Eindringling verscheuchen müssen oder eine Polizeikontrolle verkürzen, denn wer will schon „abgesägte“ Hosen, dies trotz der grossen Hitze?
Ein Hundeleben an Bord hat aber auch seine Schattenseiten. Einer der Hunde hüstelt und wird zum „Tierarzt“ gebracht. Diagnose: Der Hund habe einen bulgarischen Frosch verschluckt. Dank einer entsprechenden Medizin ist der Hund nach einigen Tagen wieder fit. Man lerne: Auch bei falscher Diagnose und falscher Medizin besteht eine Überlebenschance … Hundebanden bilden für die beiden treuen Viecher ein Risiko. Deshalb sind sie sicherlich dankbar, dass ein Polizist in Rumänien mit ihnen „Gassi geht“, denn wer will schon einen Schusswechsel für einen Hundediebstahl riskieren?
Dank EU ist der Osten Europas auf dem Weg in die Moderne. Wir erleben moderne Steganlagen, die auf Kundschaft warten, wir sehen gigantische Grenzstationen, wo ein halbes Dutzend Mitarbeiter pro Schicht – und man ist 24 Stunden – präsent, jeden zweiten Tag ein Schiff abfertigen müssen. Es gibt aber auch noch Yachthäfen, die im Reiseführer perfekt angepriesen werden, die aber de facto aus einem kleinen Schuppen bestehen. Die angekündigte Überwachungsanlage besteht dann halt auch nur aus einem simplen Bewegungsmelder und der Weg zur Marina führt über eine klapprige Leiter. Wichtiger als ein schriftlicher Reiseführer ist halt immer noch das eigene Erfahren und Improvisationstalent …
Dank der Hochwasser führenden Donau geht es zügig vorbei an vielen Obstplantagen, Auen, Zigeunersiedlungen, modernen Hotels und Firmensitzen, vorbei an unzähligen unbekannten und bekannten Bauten wie beispielsweise dem Stift Melk. Trotz der langen Reise, Catherine und Markus haben viel Zeit für die Landgänge eingeplant, denn die Hunde haben ihre Bedürfnisse und auch wir Menschen sollten mit Musse die pittoresken Landschaften und Ortschaften erwandern, denn es gibt so vieles zu entdecken.
Durch das eiserne Tor, der grössten Schlucht eines Flusses in Europa und rund 110 km lang, zwängt sich die Donau auf diesem Abschnitt spektakulär zwischen felsigen Balkanbergen und den steilen Karpaten. Früher der gefürchtetste Abschnitt der ganzen Donau ist der Flusslauf heute durch zwei Staudämme mit Schleusen reguliert. So ist halt der Fortschritt, oft Segen und Fluch zugleich.
In Eforie, einem kleinen, gemütlichen Hafen, endet die Reise. Die „Escape“ wird auf abenteuerliche Art und Weise ausgewassert und auf den Bock gestellt. Mit einem für einige wenige Euros gekauften Golf Combi geht’s nun zurück in die Heimat. Gestartet wird in Constanza (Rumänien). Via Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Albanien, Montenegro, Kroatien, Slowenien und Italien kehren die Vier zurück in Schweiz. Im Folgejahr ist der Mast gesetzt und das Schwarze Meer wird erkundet. Via Bosporus, Marmarameer führt der Törn nach Griechenland in die Türkei.
Das Publikum der RG Basel verdankt das Super-Referat und die perfekte Tonbildschau mit einem riesigen Applaus. Gerne empfiehlt der Schreibende dieses Thema auch anderen RG’s.
Für die zukünftigen Abenteuer wünschen wir Catherine und Markus „fair winds“ und den Hunden genügend Bäume beim Landgang.
Captain Andreas Schneeberger †