In manchen Momenten im Leben möchte man schreien vor Glück. Wenn plötzlich die gewaltige Schönheit der Natur in einem Augenblick den ganzen Körper durchströmen zu scheint, ist es sonderbar zurück zu denken an die Ereignisse, die zu diesem besonderen Moment führten. Für mich begann die Geschichte am Stammabend des RG Basel im Februar. Ich besuchte gerade den HSA-Kurs und war auf Einladung von Daniel Schenk zu einem Vortrag über Segeldesign und –trimm gekommen. Nach dem Vortrag sprach mich Roger Gersbach an, erzählte mir von den Jugendtörns der RG und beschrieb malerisch, wie der diesjährige Törn in Sardinien aussehen könnte. Ich hatte keine Wahl, kurze Zeit später schickte ich ihm meine Anmeldung.
Am 4. Oktober flog schliesslich die Crew der „Flying Home“, Pascal Burkhalter, Sarah Braun, Flurina Schneider, Corina Rainer und ich, nach Olbia, wo wir auf Skipper Roger und Co-Skipper Antonio Di Criscio trafen. Die beiden erwarteten uns bereits an Bord und überraschten uns mit einem Apéro. Nachdem wir viel Proviant und noch viel mehr Butter eingekauft hatten, bereitete Antonio das Nachtessen zu. Corina hatte Geburtstag und wir starteten den Törn mit einer Feier im Cockpit!
Am nächsten Tag hiess es endlich „Leinen los!“. Flurina steuerte das Ablegemanöver und bei fast wolkenfreiem Himmel und 2-3 Beaufort Wind segelten wir nach Mortorio, wo wir den Anker fallen liessen und das kristallklare Wasser geniessen konnten. Noch Stunden nach dem Nachtessen sassen wir im Cockpit, genossen die Nacht und wunderten uns über die Aktivitäten am neben uns vor Bug- und Heckanker liegenden Katamaran, wo regelmässig aufgeregt mit der Taschenlampe ins Wasser oder auf den Rumpf geleuchtet und heftig gestikuliert wurde. Des Rätsels Lösung erfuhren wir, als der Skipper des Katamarans uns mit dem Beiboot einen Besuch abstattete: Ihre Batterien seien komplett leer, die gesamte Elektrik ausgefallen und ihr Motor liesse sich nicht mehr starten. Ausserdem befürchteten sie, auf die Küste getrieben zu werden. In der Früh wollten sie gerne von uns aus der Bucht geschleppt werden. Um Skipper und Co-Skipper, die mittlerweile schon schlafen gegangen waren, nicht zu wecken, versprachen wir, morgen noch einmal mit ihnen zu reden. Schliesslich brachten die Katamaran-Segler noch einen traditionellen Stockanker zum Vorschein, und vor 3 Anker liegend kehrte auch auf dem Nachbarboot Ruhe ein.
Vor Sonnenaufgang machten wir uns per Beiboot auf den Weg zum Strand und kletterten auf den Felsen der Insel herum, bis wir von einem idealen Punkt einen traumhaften Sonnenaufgang geniessen konnten. Auf dem Rückweg sahen wir noch, wie die Katamaran-Crew damit kämpfte, ihre Anker wieder an Bord zu bekommen. Aber der Motor lief, ihr Problem war behoben worden und als wir zurück an Bord waren, war der Katamaran bereits aus der Bucht ausgelaufen. Bei uns kam noch einmal Aufregung auf, weil Antonios Brille versenkt war, aber sie liess sich zum Glück wieder auftauchen!
Auch dieser Tag brachte uns herrlichen Segelwind. Pascal, der zum ersten Mal auf einem Segelboot war, zeigte schnell Talent am Steuer und wir konnten bei 5-6 Beaufort mit Gross im 1.Reff das Segeln geniessen. In einer Bucht südöstlich der Isola Spargi machten wir schliesslich an einer Boje fest und hier war es, als ein ganz besonders traumhafter Abend mich sprachlos werden liess. Jemand hatte die Idee, das Nachtessen nicht an Bord, sondern am Strand zu halten. Wir fanden einen Grillrost und während unser Schiff als einziges in der spiegelglatten, mondbeschienenen Bucht lag, sassen wir am Strand zusammen, grillten Gemüse und Salsiccia und sangen Lagerfeuerlieder. Ein unvergesslicher Abend!
Aber das Leben kann auch schlechte Überraschungen bereit halten und so kam es, dass wir am nächsten Tag nach dem Auslaufen plötzlich kaum mehr Fahrt unter Motor machen konnten. Flurina schnappte sich eine Tauchermaske und sprang ins Wasser, aber von aussen liess sich kein Schaden entdecken. Nach einem Telephonat mit dem Vercharterer mussten wir unseren Plan ändern und nach Cannigione segeln. Aber man soll ja die Dinge positiv nehmen, und durch unser Motorproblem kamen wir wenigstens dazu, das Ankermanöver unter Segel auch in der Praxis auszuprobieren. Während wir vor der Marina ankerten, kam ein Taucher des Vercharterers an Bord. Der Flansch an der Schiffsschraube war beschädigt und deshalb musste dieser gewechselt werden. Leider blieben wir zu diesem Zeitpunkt auf den Kosten sitzen, obwohl der Schaden ohne unser Zutun zustande gekommen war. Suncharter hat uns aber die Kosten, obwohl sie vertraglich nicht müssten, im Nachhinein vollumfänglich gutgeschrieben! Unsere Stimmung hellte sich auf, als wir am Nachmittag das Capelage ausprobieren konnten, das Roger von den „Swiss Racing Sailors“ geliehen bekommen hatte. So konnten wir doch noch genussvoll segeln und am Abend in einer Bucht vor Porto Palma an einer Boje festmachen.
Auch der nächste Tag war wieder etwas Besonderes: Es ging über die Strasse von Bonifacio. Mit Sonnenaufgang segelten wir los, jedenfalls versuchten wir das… Aber der Wind war uns nicht hold, trotz Capelage mussten wir doch auf den Motor ausweichen. Wir verliessen das Maddalenen Archipel und legten einen Badestopp auf Isola di Lavezzi ein. Neben der unglaublichen Schönheit des Wassers in der Bucht, machte sich die Crew wieder einmal auf, kletternd die Felsen am Strand zu entdecken. Schliesslich kam noch Wind auf, und mit dem Capelage ging es bis vor die steilen Felswände, auf denen Bonifacio thront. Antonio machte das Schiff in aller Ruhe am Steg fest, aber kurz danach war es mit der Ruhe vorbei, als wir alle beim Wasser tanken nass gespritzt oder ins Hafenwasser geworfen wurden. Abends flanierten wir durch die erstaunliche Altstadt, und als wir zurück an Bord kamen, überraschten uns Antonio und Roger mit selbstgemachter Bruschetta und dem bereitstehenden Nachtessen!
Mittlerweile mussten wir bereits an den Rückweg denken und segelten am nächsten Tag gerefft zurück nach Sardinien. Als der Wind zu Mittag schwächer wurde und wir ausreffen wollten, wurden wir wieder von einem technischen Problem überrascht! Der Lümmel des Lümmelbeschlages hatte die Sicherungsschraube verloren, dadurch rutschte der Lümmel allmählich hinaus, als wir dies bemerkten, war dieser bereits zwei Dritteln heraus gerutscht. Trotzdem bin ich dankbar, dieses Problem erlebt zu haben: Die professionelle Ruhe, mit der Roger und Antonio dieser gefährlichen Situation begegneten, will ich mir als Vorbild für meine Schiffsführung nehmen. So wurde der RG-Jugendtörn für mich zum Ausbildungstörn. Dank Rogers Reparatur konnten wir schlussendlich sogar weiter segeln! In der Cala Garibaldi ankerten wir diese Nacht. Einige von uns nahmen abends wieder das Beiboot und erkundeten einen stillgelegten und gruseligen Club Mediteran.
Diese Nacht sollte wieder etwas besonders werden! Nach dem Nachtessen fühlten sich bald alle recht müde und wollten früh schlafen gehen. Ich aber hatte am nächsten Tag Geburtstag und wollte unbedingt um Mitternacht in mein neues Lebensjahr „hineinschwimmen“. Während also alle schlafen gegangen waren und nur Sarah an Deck geblieben war, zog ich ein paar Runden um das Schiff. Plötzlich geht Musik an, ich schaue zurück und alle stehen im Cockpit, winken mit Wunderkerzen und leuchtenden Partylichtern und gratulieren mir! Wir tanzten Polonaise durch das ganze Schiff und schlussendlich lagen wir alle wieder im Wasser. Als dann noch langsam Nebel aufkam und wir den Soundtrack von „Fluch der Karibik“ dazu hörten, war die Piratenstimmung perfekt!
Nebel und Windstille dominierten auch den Morgen des letzten Tags und wir gingen erst am späten Vormittag Anker auf. Der Wind, der uns dann doch entgegen wehte, kam leider aus der falschen Richtung. Weil wir pünktlich das Schiff übergeben mussten, war Kreuzen keine Option. Doch zum Glück konnten wir vor Portisco dann doch noch die Segel setzen und eine halbe Stunde lang ein paar Schläge segeln. Gerefft bei 5 Beaufort konnten wir sogar den Geschwindigkeitsrekord der Crew der Vorwoche noch übertreffen. Leider mussten wir das Schiff nun tanken und zurückgeben. Am Abend kochte Sarah Crêpes und damit endete eine unglaublich erlebnisreiche Woche.
Es war ein abenteuerlicher, wunderschöner und auch lehrreicher Törn mit einer wunderbaren Crew! Dafür und für die Unterstützung möchten wir uns bei der RG Basel herzlich bedanken. Auch bei Suncharter für die kulante Übernahme der Kosten für die Schiffsschraube von 700.- € möchten wir uns bedanken. Und nicht zuletzt auch bei den „Swiss Racing Sailors“, ihr M34 Capelage hat uns beim Segeln viel Freude bereitet!
Constantin Sluka