Stammabend 3. Februar 2010
Referent: Klaus Hympendahl
Die RG Basel liebt es, gewohnte Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Ein Lokalwechsel für die Stammabende muss deshalb wohl überlegt sein, will man nicht, dass der Referent vor leeren Stühlen parliert.
Wie motiviert man die Mitglieder unserer RG, den GPS ihres Autos neu zu programmieren? Ganz einfach, man lädt einen hochkarätigen und bestens bekannten Referenten ein und stellt sicher, dass das Restaurant auch kulinarisch das hält, was es verspricht. Nicht nur hat unser Clubmitglied Enrique und seine Crew vom „Mittenza“ beste Arbeit vor und nach dem Anlass geleistet, auch unser Referent hat eine super Performance hingelegt.
Klaus Hympendahl liegt die Seefahrt in den Genen. Vater und Grossvater gingen zur See, dies als Kapitän respektive auf Rahseglern rund Kap Horn. Deshalb ist kaum verwunderlich, dass der Filius zwischen 1986 und 1991 eine Weltumsegelung mit seiner „African Queen“ wagte und sich damals in die Südsee verliebte.
Wie wurde dieses riesige Seegebiet jedoch bevölkert? Thor Heyerdahl wagte eine These und lag komplett falsch. Sowohl die Fahrtrichtung als auch der Schiffstyp waren falsch. Trotzdem eroberte er die Herzen vieler abenteuerbegeisterten Personen und prägte die Geschichte für einige Jahrzehnte. Auch hier zeigt sich, dass kopieren von Ideen oft beliebter ist als das eigene Nachdenken und Hinterfragen. Klaus ist eins solcher Querdenker und so kam er auf die Idee, seine These nicht nur theoretisch zu validieren, sondern in der Praxis zu testen.
Obwohl seit 100 Jahren im Museum von Auckland ein Modell eines polynesischen Kats steht, glaubte Thor Heyerdahl, dass nur ein kaum steuerbares Floss für die Völkerwanderung in Frage kommen konnte. Obwohl viele Indizien (Tiere, Keramikfunde) auf eine Herkunft aus Taiwan hinwiesen, war er von einer südamerikanischen Herkunft der Polynesier überzeugt, denn dies entsprach der einfachen Logik, dass ein Floss nur den Strömungen und den generell herrschenden Winden folgen konnte. Die falsche These führte logischerweise zu einer falschen Konklusion … Solche Fehler gab und gibt es nicht nur bei Thor Heyerdahl …
Wenn wir von grossen seefahrenden Nationen sprechen, dann stehen die Polynesier üblicherweise nicht im Fokus, fälschlicherweise …
Die Polynesier waren führend im Schiffsbau und in der Navigation, dies bis zur Kolonialisierung. Dann änderte sich die Situation schlagartig, denn diese Fähigkeiten bildeten eine Gefahr für die neuen Herren. Wer über den Horizont hinausschauen kann, denkt unabhängiger und entflieht möglicherweise auch physisch der gesetzten Enge.
Wie wurde damals navigiert? Die Polynesier analysierten die Strömungen, den Vogelzug, die Farbe der Wolken über den Inseln, die Sterne sowie die Winde. Ein Polynesier hat das einfacher formuliert: Es war einfach, die Insel zu finden, denn diese lag ja seit eh und je da …
Die Polynesier waren nicht nur sehr gute Navigatoren, sondern auch ausgezeichnete Seefahrer. Sie entwickelten einen Kat, der geprägt war von gewissen Features, die einzigartig waren und sind. Krebsscheren-Segel waren und sind aerodynamisch ideal, nutzen sie doch die stärkeren Winde am Masttop. Diese lassen sich zudem perfekt trimmen und reffen sowie mit oder ohne Besan nutzen. Die Rümpfe sind V-förmig gebaut und miteinander flexibel verbunden. Dadurch sind ideale Bedingungen geschaffen, um auch starken Wellengang bewältigen und gegen den Wind aufkreuzen zu können.
James Wharram, der erstmalig den Atlantik mit seinem Kat überquerte, war Klaus‘ Lehrmeister und Freund bei der Verwirklichung der Idee, die Völkerwanderungs-These mit nachgebauten Kats empirisch zu testen.
James hat sich bekanntlich bei seinen Entwürfen immer an den polynesischen Kats orientiert und half nicht nur bei der Projektierung mit, sondern er, seine Lebenspartnerin und sein Sohn waren auch auf der Reise dabei.
Die Crew setzte sich aus Personen zusammen, die sich fast ideal ergänzten, bspw. wissenschaftlich oder auch im Bereich der medialen Verbreitung, wobei diese bei jeder Etappe teilweise wechselte. Die Crewmitglieder finanzierten auch die Reise, sprich, einige Kompromisse mussten sicherlich auch im Interesse der Sache eingegangen werden.
Im 2008 ging’s von den Philippinen los, via Molukken und Salomoneninseln zum Ziel Anuta und Tikopia. Schon der erste Schlag war schwierig und die Reise war geprägt durch schlechtes Wetter. Sonne und ideale Winde gab es nur, wenn die Kats vor Anker lagen. Stürme und Regen setzten der Crew auf der 4‘000 sm langen Fahrt stark zu und alle Mitglieder litten an Krankheiten, sei es Durchfall, Abszesse, Dehydrierung, starke Kopfschmerzen und manches mehr.
Die bei Aldi gekauften Ölzeuge waren im Nu zerstört und die Crew war bald innen und aussen gleich nass. Die Lukendeckel waren leicht undicht und so waren Kälte und Nässe permanente Begleiter. Nichts war mit idealen Winden, Sonnenschein und Südseestimmung. Auch die englische Ernährung mit Porridge war für einige Deutsche Gemüter motivationsmässig etwas problematisch.
Gefahr lauerte im und unter dem Wasser auch in Form von Krokodilen, schwimmenden Bäumen und auch die Crew leistete ihren Risikobeitrag, bspw. bei einer Patenthalse, bei der Klaus mit Schwung nachts über Bord ging und im letzten Moment noch eine Spiere greifen konnte.
Auch wenn man vieles vom historischen Modell abgekuckt hatte, so musste doch auch Lehrgeld bezahlt werden. Das Deck war sehr rutschig und das Sturmfock zu gross. Dieses konnte bei einem extrem starken Sturm nicht mehr gerefft werden und so kämpfte die Besatzung 2 Tage um das nackte Überleben. Die Bilder der erschöpften Crew waren eindrücklich. Schade, dass der Kameramann in dieser kritischen Situation seinen Job nicht mehr ausführen konnte.
2 schmale Rümpfe und ein kleines Deck bieten wenig Raum für individuelle Rückzüge und so brauchte es einige Energie, um dem psychologischen Druck standhalten zu können. Auch an Land war die Crew nie alleine, denn die beiden Kats waren logischerweise DAS Thema für die Inselbewohner. Wer kennt diese Situation nicht von eigenen Törns, die weniger lange und mit weniger Exponiertheit verlaufen?
Faszinierende Bilder von Vulkanen, indogenen Völkern und Impressionen von den Booten machten den Vortrag zu einer „Rauschefahrt“. Die Zeit verging wirklich wie im Fluge und noch standen einigewichtige Botschaften aus.
Die Crew konnte den Beweis für ihre These antreten, obwohl noch DNA Tests von Tieren ausstehen. Mit dieser Konklusion leitete Klaus über zu den letzten Bildern, Fotos des Volkes der Inseln Tikopia und Anuta, das es versteht, im Einklang mit der Natur zu leben und glücklich wirkt.
Auch im Paradies gibt es jedoch Krankheiten und der Verein, der hinter der Expedition von Klaus Hympendahl steht, finanzierte den Aufbau einer Krankenstation, was einem wirklichen Bedarf entspricht. Eine solche benötigt jedoch für den Betrieb weiterhin Geld, bspw. für Medikamente. Eine spontane Sammelaktion am Schluss des Anlasses brachte über 500.— CHF an Spendengeldern, die sich im bereitgestellten Topf stapelten. Darauf bin ich als Captain besonders stolz, denn eine solche Solidarität ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich.
Nach einer intensiven Fragerunde war der Anlass noch lange nicht zu Ende. Es wurde mit dem Referenten bilateral diskutiert, seine Bücher gekauft oder bei einem Bier weiter geplaudert. So viele Mitglieder hat man noch nie nach einem Stammabend im Restaurant gesehen. Ein Zeichen, dass sich die Besucher des Anlasses „sauwohl“ fühlten.
Wer den Anlass verpasst hat oder sich noch mit dem Thema verstärkt auseinandersetzen möchte, dem sei die Webseite www.lapita-voyage.de bestens empfohlen.
Nach diesem Powerstart mit rund 80 teilnehmenden Mitgliedern freut sich der Vorstand auf einen regen Besuch gut gelaunter Mitglieder auch an den kommenden Stammabenden.
Captain Andreas Schneeberger †
Nachlese: Was ist mit den beiden Kats passiert? Diese wurden den Insulanern übergeben, die dadurch über eine lang vermisste zusätzliche Mobilität verfügen.