Stammabend 8. September 2010
„Herzlich willkommen zu Karibik Feelings – einem Törn von Trinidad nach Cura-cao mit der Cruising Swiss V“.
Mit diesen Worten begrüsste Captain Andreas Schneeberger die Anwesenden im grossen Saal des Mittenza in Muttenz und begann damit, den erfahrungs- und eindrucksreichen Törnabschnitt von Cruising@America Revue passieren zu lassen, den er zwischen dem 18.Dezember 2009 und dem 10. Januar 2010 hat miterleben dürfen.
Seine Präsentation in Form eines Logbuchs bot den Zuhörenden nebst den Bildern auch Ereignisse des Bordlebens, wobei es sich zeigte, dass die Zwischentöne besonders beim Schreibenden anregend auf dessen Phantasie Einfluss nahmen. Ich denke da z.B. an die Beschreibung des Versuchs, Schildkröten zu beobachten, die natürlich immer in genau dem Teil der Bucht ihren Hals aus dem Wasser strecken, in dem die Gummiboot-Crew mit ihrem durch Manneskraft betriebenen Dinghi gerade nicht war. Für mich Slapstick pur und ein Beispiel dafür, was eine Erzählung hörenswert macht.
Andreas führte uns zurück in den Dezember 2009. Die Kältewelle in der Schweiz war am Anrollen, die sicherheitsbedingten Querelen an diversen Flughäfen führten zu erstem Kopfschütteln unter den Zuhörenden, aber sogleich strömte via Leinwand karibische Wärme durch den Saal. Andreas berichtet von einem perfekt geputzten Schiff (selber schuld, wer zu schnell über den Atlantik segelt und dann eine Woche Zeit zum Putzen hat) und einheimischen Beamten mit eigener Arbeitsethik. Aber die Karibik regt auch an, den Weihnachtsbaum kreativ zu gestalten. Nicht, dass auf der Yacht ein Bäumchen aus Bierdosen ge-standen hätte, wie auf einem der Bilder aus einem Dorf zu sehen war, doch der um den Steuerstand gewickelte Ersatzschmuck tat’s ja auch.
Bald war das Schiff bereit für den ersten Schlag. Gab es aber nicht noch ein kleines Problem? Klar doch! Einklarieren und Ausklarieren mit unterschiedlicher Crew kann durchaus zu karibischen Umständen führen. Beim Segeln ist also stets auch an die Administration zu denken.
Vor „Chacachacare“, fällt in einer idyllisch gelegenen Bucht voll von Delfinen zum ersten Mal der Anker.
„Chacachacare“ ist eine verlassene Insel, auf der früher Lepra-Kranke leben mussten. Ein Geier begrüsst die Dinghi-Crew und die Szene wirkt wirklich kaf-kaesk.
Der Ausflug zur verlassenen Leprastation blieb nicht der einzige Tagesausflug, denn wie es sich für eine Kreuzfahrt gehört, wurde immer nachts gesegelt und der Begriff Marina wurde zum Fremdwort.
Vorbei ging’s danach an „Bocca Grande“, einem Gebiet, das auch heute noch für die Piraterie bekannt ist. Ziel war „Los Testigos“. Ein deutsches Ehepaar ist kürzlich in diese Gegend ausgeraubt und der Ehemann ermordet worden. Die Ehefrau hat sich nach einiger Zeit in die Rettungsinsel begeben und wurde vor den ABC Inseln aufgefischt. Gott sei Dank liest man solche Horrorgeschichten immer erst nach den glücklich verlaufenen Törns.
Auch einsame Inseln kennen Regeln und so wird auf „Los Testigos“ beim Officer in seiner kleinen Hütte einklariert. Die Insel wird erkundet, von Einheimischen frischer Fisch leicht überteuert gekauft. Paradiesische Vegetation umgibt die Reisenden.
„Los Testigos“ scheint ein beliebter Treffpunkt der Karibik-Yachties zu sein. Man bekommt den Eindruck, dass vor allem Franzosen auf dem Meer unterwegs sind. Ein jüngeres Pärchen kommt vorbei, ist begeistert vom Entscheid des CCS, eine französische Yacht in ihre Flotte aufgenommen zu haben, gibt Tipps und braust wieder davon, elegant gekleidet in ihre hautengen Neoprenanzüge. So sind sie halt, die Franzosen, immer auf Eleganz aus.
Bald nahte Weihnachten, und damit auch die Freitage für die Beamten. Deshalb musste „Porlamar“ früh morgens erreicht werden, damit alle Formalitäten erledigt werden konnten.
Nachts frischte es dann auf und in einem teilweise recht ruppigen Ritt ging’s durch die sternenklare Nacht. AIS und Radar sei Dank, wurden auch die vielen Tanker erkannt, die auf die Küste von Venezuela zuhalten. Die Crew lernte auch in der Folge die Vorteile des AIS schätzen, werden doch Frachter vom AIS er-fasst, bevor sie auf dem Radarbildschirm erscheinen.
In Porlamar ging es mit dem Dinghy zu Juan Baro, der der Crew alle Papier organisierte. Juan ist eine Art Salvador Dali Verschnitt und sogar im Törnführer erwähnt. Er gibt Tipps und hilft beim Papierkrieg, auch wie man „schwarz“ Geld zu besseren Konditionen wechseln kann.
Da der 24.Dezember war und der Törnführer eine Bucht weiter ein exzellentes Restaurant versprach, wurde verholt. „Robledar“ begrüsste die OVNI im Abendlicht mit unzähligen Fischerbooten, die bereits an den besten Ankerplätzen zu finden waren. Die Ovni-Crew machte sich bereit, landete dinghisurfend sicher am Strand – nur, wo war das Restaurant? Endlich war es gefunden, doch es war geschlossen. Weihnachtstag ist Familientag, auch für Restaurateure, deshalb gab es für die Crew schliesslich an Bord zwar nicht Resten von gestern, aber auch keinen kulinarischen Höhenflug.
Unglaublich schnell vergeht eine Woche, der Wind ist konstant und einmal mehr geniesst die Crew eine Rauschefahrt.
Plötzlich tauchten Delphine auf, 1 .. 2 … 5 … 10 und es hörte nicht auf. Über hundert mögen es sein! So viele Delphine hat noch keines der Crewmitglieder gesehen. Unglaublich, wie sie vor dem Bug abtauchen und mit ihren akrobati-schen Einlagen begeistern. Leider ist es schwierig, sie zu fotografieren. Sie tau-chen immer am „falschen“ Ort auf. Aber die RG Mitglieder kenn ja Delphine, deshalb braucht es auch keine Bilder …
Vorbei an Höhlen, in denen vielleicht noch Piratenschätze liegen, geht es nach „La Blanquilla“ , wo das nächste Abenteuer wartet. Der junge Offizier der Küs-tenwache erledigt speditiv alle Formalitäten und fragt, ob die OVNI helfen könnte. Es habe ein Tankerunglück einige Meilen entfernt gegeben und die Küstenwache sollte helfen. Leider sei der Aussenborder ihres Schlauchboots ausgefallen und dieses wäre notwendig, um die Bergungsaktion unterstützen zu können. Obwohl man ja nicht so einfach sein Dinghi an wildfremde Leute ausleiht, wird geholfen und die Marine bringt alles wie versprochen zurück.
Das geliehene Dinghy hat geholfen, Menschen zu retten. Aussenpolitik des CCS, spontan und effektiv …
Auch auf dieser Insel sind Flora und Fauna artenreich und interessant. Was als Bonsai-Variante manch Schweizer Wohnzimmer schmückt, steht hierals sta-cheliger Riesenkaktus am Strand.
Auf dem Weg Richtung „Tortuga“ segelte die Ovni weiter nach Westen, nach „Cayo Herraduro“. Die Einfahrt erfolgte wie immer gemäss dem Eyeball Naviga-tion Prinzip, diesmal war es jedoch eine Pirouettenfahrt. Irgendwie stimmen die Seekarten nicht mehr ganz. Die Wasseroberfläche weist auf Untiefen hin, die Karte nicht … Was tun? Langsam tastet die Yacht sich heran, dies mit einem grossen Sicherheitsabstand und mit einem permanenten Blick auf das Lot.
Endlich ist die Crew in der gewünschten Bucht, die von Motor- und Segelyach-ten jedoch massiv überfüllt ist. So sehen also Geheimtipps aus. Die Schönheiten der teuren Yachten räkeln sich mit ihren leicht übergewichtigen Lovern am Strand und es ist zu erkennen, dass die venezolanischen Chirurgen ganze Arbeit geleistet haben.
Daneben die einheimischen Fischer, die bei den wohlhabenden Yachties um etwas Oel, Diesel und Werkzeuge betteln. Ihren Besitz markieren sie mit einer Muschelreihe am Boden. Und immer wieder kleine Kapellen, die auf die hohe Religiosität der Einheimischen hinweisen. Erschreckend ist die Plastikver-schmutzung der Strände. Es ist schon unglaublich, was da alles angeschwemmt wird. Das motiviert natürlich die Einheimischen nicht, ihren Abfall sauber zu entsorgen, sollte uns aber animieren, sorgsam mit der Natur umzugehen.
Die Navigation scheint eine Herausforderung zu sein. Die Tiefenangaben seien in Faden (also umdenken) und die GPS Koordinaten müssten auf dem Plotter um ca. ½ bis ¾ Meilen nach Osten und Norden verschoben gedacht werden. Bei der verdammt engen Situation hier komme man als Navigator schon ins Schwitzen, wusste Andreas zu berichten.
Bald erreicht die Yacht „Dos Mosquisos“. Die Einfahrt ist „einfach“, man macht eine Peilung auf drei Palmen am Sandstrand, wie im Törnführer beschrieben. Der Cruising Guide müsste umgeschrieben werden, würden die Palmen gefällt werden. Auch hier gibt das Korallenriff nur eine kleine Einfahrt frei und auch hier freuen wir uns wieder über das Integralschwert.
„Los Roques“ ist ein ausgedehntes Naturschutzgebiet, in vielen Bereichen noch unentdecktes Mangrovengebiet, also geht es zu viert ans Land, zuerst zur Schildkrötenzuchtstation, den kleinen Villen und dann quer durch die Büsche und über Stock und Stein.
Wie feiern Schweizer mit Heimweh Silvester, was essen sie? Klar doch, ein Fon-due soll es sein! Ein Brenner wird improvisiert aufgebaut. Das warme – nicht heisse – Fondue wird mit Genuss unter einem phantastischen Himmelszelt ge-nossen.
Über „Aves“, die Vogelinsel, geht es nach dem Mittagshalt zur „Isla Sur“. Dichte Mangrovenwälder bilden ein undurchdringliches Dickicht, in welcher zig Tau-send Vögel wohnen. Diese ziehen in riesigen Schwärmen über die Ovni hin. Es ist wirklich ein Vogelparadies, nur wenige Yachties sind hier und sonst ist die Insel menschenleer. Dies ist wirklich ein Geheimtipp für alle Naturfreunde. Also, das war einer, denn nun lesen 6‘000 CCS Mitglieder davon…
Abends leuchtet das Meer. Tausende von Punkten faszinieren und es wird ge-rätselt, ob es sich um Fische oder Korallen handelt. Egal, in Kombination mit dem faszinierenden Sternenhimmel wirklich „in the middle of nowhere“, alleine auf dem Meer, völlig ruhig, abgesehen vom Plätschern des Wassers, ist das ein Erlebnis ohnegleichen.
Nachts frischt es massiv auf und bei 7 Beaufort findet der Skipper keine Ruhe mehr. Ohne Wetterbericht ist halt die Planung etwas schwierig. Navtex liefert nichts Vernünftiges und die Pactor Verbindung funktionierte nach wie vor immer noch nicht…
Nach dem Frühstück geht es mit 4-5 Bft Richtung „Aves de Sotavento“. So macht Segeln Spass.
Dort kommt gleich das kleine Patrouillenboot entgegen, in dem vier junge Her-ren sitzen, alle in einer schmucken T-Shirt-Uniform. Sie werden an Bord will-kommen geheissen und sind von der Ausrüstung begeistert. Mit Leichtigkeit erfüllen wir alle Voraussetzungen, die auf der Checkliste stehen. Der eine geht die Punkte durch, der zweite schreibt und der dritte packt das Formular ein. Der vierte ist Bootsmann, so kann man sich natürlich auch beschäftigen … Zum Schluss bekommen alle ein CCS T-Shirt und wer einmal in der Gegend weilt, darf nicht überrascht sein, wenn die Armee CCS T-Shirts trägt. Mit einem Bier im Bauch und unserem Souvenir in der Hand gehen die vier gutgelaunt zurück auf ihr Bötchen, sie lassen die Crew wissen, dass sie jederzeit via Funk aufgeru-fen werden könnten, sollte die Crew etwas benötigen.
Im Zickzack geht es durch die Korallenriffs, bis die „Isla Larga“ erreicht ist. Tho-mas und Andreas gehen mit dem Schlauchboot auf Entdeckungsreise. Ab und zu schwimmt eine Schildkröte vorbei oder lugt hervor, jedoch alles ruhige Paddeln nutzt nichts, sie wollen uns nicht als Gäste begrüssen, verschwinden im Nu, um alsbald an anderer Stelle wieder aufzutauchen und neckisch zu den Eindringlingen herüber zu äugen. Ätsch, Euch haben wir erwischt!
Bald werden die letzten Schläge diskutiert und man muss feststellen, dass „Aruba“ nicht mehr drin liegt. Schade, so geht’s halt nun nach „Bonaire“ und „Curraçao“.
Irgendwie gibt’s dann ein Problem mit AIS und Plotter. Wenn letzterer einge-schaltet ist, soll AIS nicht funktionieren. Also wird kurz aus und ein geschaltet . Was ich nicht beachtet worden ist, ist die Kombination mit der Selbststeuerung. Das Schiff läuft aus dem Ruder und im letzten Augenblick übernimmt der noch etwas schläfrige Steuermann wieder seine Aufgabe. Was lernen wir daraus? Immer zuerst überlegen, bevor man den Hebel legt oder einen Knopf drückt.
In den frühen Morgenstunden erscheint „Bonaire“. Nach x Tagen wieder Zivili-sation. Riesige Salzberge lassen die industrielle Bedeutung der Insel erkennen. Natürlich gibt’s auch eine sehr bedeutende Tourismusindustrie, speziell Taucher lieben die Insel.
Daher also weiter nach „Curaçao“. Erster Halt ist auf „Klein Curacao“, wo eine Fischerflotte sowie ein Kreuzfahrtschiff im Einfahrtsbereich für Schweiss auf der Stirne sorgen. Steuerbords wird ein Frachter und eine Yacht gesichtet, beide gestrandet. Es galt also erneut, Vorsicht walten zu lassen.
Unter Motor geht’s nach „Curacao“, präziser nach „Willemstad“. Vorbei an Industrie und Hotelbauten, nicht immer sehr pittoresk.
Die Hafeneinfahrt ist durch eine Drehbrücke versperrt. Nach einer Wartezeit geht die Brück auf und die Ovni passiert ein Mordsding von einem Kreuzfahrtschiff. Schiff? Wohl eher ein schwimmender Wolkenkratzer.
Mit dem grossen Putztag endet der Törn. Der Skipper erledigt den Bürokram und meldet sich für den ganzen Tag ab. Der neue Skipper braucht noch zusätzliche Unterlagen und so meldet sich ein Crewmitglied ab. Mit dem Dinghy geht’s ab zum Hafenbüro, also bleiben noch zwei Crewmitglieder zum Putzen und zählen …
Das seaside Restaurant versöhnt die Crew wieder und so geniesst diese den letzten Abend am Meer. Mit dem Fahrer des Taxis wird vereinbart, dass er die Crew am nächsten Morgen auch zum Flughafen bringt. Nur verschläft der Fahrer und kommt doch etwas sehr spät im Hafen an, wo sich die Sicherheitsbeamten bereits um die in der Dunkelheit herumstolpernden Schweizer kümmern.
In allerletzter Minute wird der Flughafen erreicht und via Miami und Chicago fliegen die Neukariben zurück in die Schweiz.
Vom karibischen Savoir Vivre über US-amerikanischen Sicherheitswahn – wer seinen Koffer nicht sofort vom Band nimmt sondern ihn zweimal rund herum laufen lässt, ist verdächtig und muss einzeln kontrolliert werden – über den Schnee in Chicago führt der Weg zurück in eine januarnasskalte Schweiz.
Der Alltag hat alle wieder.
Daniel Schenk