Stammabend 13. Februar 2013
Etwa 70 Mitglieder unserer RG haben den Weg in die Mittenza gefunden, um mehr über Freddy Suters 143-tägige Reise um die Welt auf dem Frachter TUPAIBANK zu erfahren. Die TUPAIBANK diente der sowjetischen Marine viele Jahre als Versorgungsschiff und leistete ihren Dient in Kamtschatka. Nach ihrer Ausmusterung wurde sie an eine private Reederei verkauft und dient seither als Frachter für den Güterverkehr in der Südsee.
Das Schiff befand sich in einem weit fortgeschrittenen Zustand des Zerfrasses durch Rost und wurde scheinbar nur durch die dicke Farbschicht vor dem vollständigen Auseinanderfallen bewahrt, ein Umstand der die Crew tagein tagaus mit Rostklopfen und Ersetzen durchgerosteter Teile beschäftigte. Unter dem Kommando eines britischen Kapitäns hielt eine etwa 30-köpfige Crew, die weitgehend aus Russen bestand, den Betrieb aufrecht. Transportiert wurden vor allem Copra und Palmöl sowie Maschinen als Stückgüter.
Um den Gewinn zu maximieren, wurden auch Passagiere befördert, dies allerdings unter der Bedingung, dass die Fracht in allen Fällen Priorität geniesse, dass keine Garantie für Abfahrts- und Ankunftszeiten bestehe und dass die Route kurzfristig geändert werden könne. Obwohl die Kabinen für die Passagiere recht wohnlich waren, litten diese unter der grossen Isolation: Nicht nur ihre Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt, auch das Fehlen von Kommunikationsmitteln wie Radio, TV, Internet oder Zeitungen führte dazu, dass sie auf See weitgehend auf sich selbst gestellt waren. Der mit dem Rostklopfen verbundene Lärm hat die Ruhe und den Erholungswert der Reise auch nicht gerade positiv beeinflusst. Eine zusätzliche Unannehmlichkeit waren Russ und Teer, die ständig das Deck bedeckten, da das Schiff mit Schweröl betrieben wurde und jede Stunde über 2 t davon verbrannte.
Die Route führte von Hamburg und nach dem Anlaufen einiger europäischer Häfen zum Aufnehmen von Fracht quer über den Atlantik, durch den Panamakanal in den Pazifik nach Tahiti auf die Sandwich- oder Gesellschaftsinseln. Freddy machte uns auf die Nachwirkungen der Atomversuche aufmerksam, die hier wie auf den Marshallinseln (Bikini) bis heute in der Umwelt nachweisbar sind und den Genuss von Fisch zum Risiko machen. Er erklärte uns auch die Herkunft des Wortes „tabu“, denn alles, was auf Tahiti als nicht schicklich gilt, ist „tappu“. Nach einem Streifzug durch die dortige Speisekarte mit Fisch, Taro, Yam, Sago sowie wildwachsende Vanilla) und einem Ausflug nach Tapeete, einem Steuerparadies für Wohlstands-Segler mit internationalem Luxus, führte die Reise weiter über die Datumsgrenze nach Neuseeland und zurück in die westliche Zivilisation.
Nach dem Einschiffen neuer Passagiere begann das eigentliche Inselhüpfen mit Noumea in Neukaledonien als erster Station. Von den dortigen gigantischen Nickelgruben fuhren die Lastwagen durch eine Tür in der Seitenwand im RORO-System direkt ins Schiff, um ihre Last abzuladen. Der gewaltige wirtschaftliche Reichtum wiederspiegelte sich auch in der massiven französischen Flottenpräsenz. Auf dem Markt boten die farbenprächtig gekleideten Bewohner neben den hervorragend schmeckenden red snappers vielerlei Feldfrüchte einschliesslich Kokosnüssen feil. Alle Waren werden auf dem Kopf getragen, so dass die Hände frei bleiben und die Leute sich mit einer unglaublich stolzen Haltung bewegen.
Nach einem Zwischenhalt auf Espiritu Santo (Neuhebriden) wurden die Salomonen, eine seit 1978 unabhängige Gruppe von 11 Inseln, auf der 120 verschiedene Sprachen gesprochen werden, angelaufen. Hier wurde Copra (getrocknetes Der Vulkan Tuvurur in der Nähe von Rabaul. Fleisch der Kokosnüsse) geladen, eine Tätigkeit, die nur bei trockener Witterung ausgeführt werden kann und mit der Invasion einer Unzahl lästiger Insekten verbunden ist. Von den Kokosnüssen profitieren nicht nur die Menschen; Drahtkörbe um die Palmenstämme schützen vor Palmendieben, einer speziellen Art von landlebenden Krebsen, die bis 4 kg schwer werden und mit ausgebreiteten Scheren 2 m messen.
Die vordergründig ungestörte Südsee-Idylle trügt: Eine ungebremste Migrationsproblematik und die Konzentration der Wirtschaft in chinesischen Händen führten 2006 zu schweren Ausschreitungen und zur Flucht zahlreicher mittelloser Chinesen nach Australien, das seither eine starke Polizeipräsenz unterhält und im Auftrag der UNO den Frieden überwacht. Unter den Eingeborenen fallen immer wieder solche mit hellblonden Haaren auf. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich dabei nicht um einen Gentransfer durch nordische Matrosen handelt, sondern um eine genetische Variation.
In der ehemals deutschen Kolonie Rabaul im Bismarck-Archipel wurde die Tupaibank von einem Aschenregen empfangen, den der aktive Vulkan Tuvurur ausstiess und der Schiff und Land mit einer dicken Schicht klebriger Asche bedeckte. Bei seinem letzten grossen Ausbruch 1994 wurde die ganze Stadt verschüttet und gerade heute, am 6. Februar, hat er ein Beben der Stärke 8.0 verursacht. Vor den häufigen Ausbrüchen bietet ein ausgedehntes Tunnelsystem Schutz, das die Japaner im 2. Weltkrieg zur Verteidigung der Stadt angelegt hatten. Diese Gegend war hart umkämpft und es gelang den Amerikanern nur unter grossen Verlusten, die Japaner zurück zu drängen. Dass die Bevölkerung noch wesentlich höhere Verluste an Menschenleben hinnehmen musste, wird dabei oft übersehen. Spuren dieser Kämpfe sind noch überall zu sehen – immer wieder verunstalten Wracks von Flugzeugen, Panzern oder Lastwagen die Landschaft.
Auf der nächsten Station kam Freddy in Kontakt mit der ganz besonderen Tierwelt und den ehemaligen Kannibalen von Papua Neuguinea. Kannibalismus war eine Form der Ehrerweisung für Verstorbene, denn gegessen wurden nicht nur Feinde sondern auch verstorbene Angehörige. Dass dabei auch Prionen, die Kuru, eine Kreutzfeld-Jacob ähnliche Krankheit verursachten, gegessen wurden, musste in Kauf genommen werden. Ein mit Eberzähnen und Muscheln prächtig geschmückter älterer Häuptling behauptete, dass nur Eingeborene wirklich essbar seien, da das Fleisch der Weissen zu salzig schmecke.
Danach wurde Mindanao auf den Philippinen angelaufen, um die Copra für die dortigen Fabriken zu löschen und die lästigen Käfer los zu werden. In Singapur wurde neue, geheimnisvolle Fracht an Bord genommen, bei der es sich wahrscheinlich um Uranoxid handelte. Freddy vertritt die Ansicht, dass diese strahlende Ladung die TUPAIBANK davor bewahrte, in der Strasse von Malakka und vor der somalischen Küste Beute von Piraten zu werden, denn diese sind hervorragend über die Güter auf den Schiffen informiert und suchen sich ihre Opfer gezielt aus.
Nach einem kompletten Motorausfall im Indischen Ozean und dem Passieren des Suezkanals führte die Reise durchs Mittelmeer und zurück nach Hamburg. Danke, Freddy, dass Du uns an dieser ungewöhnlichen Reise teilhaben liessest.
Captain Lukas Landmann