Wie baue ich mir (m)ein Boot?

Stammabend 8. Juni 2011

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Diese Worte von Antoine de Saint-Exupéry werden zwar oft zitiert, stimmen jedoch nicht unbedingt mit der Realität überein, denn wer Sehnsucht nach dem Meer hat, der kauft sich eine Yacht und baut diese nicht selbst, so der Referent dieses Stammabends, Maurus Wenger.
Die Motivation für einen Eigenbau liegt sicherlich nicht in einer potentiellen Kosten- oder Zeiteinsparung, sondern im Wunsch begründet, selbst gestalterisch tätig zu werden, entweder, weil man die eigenen Fähigkeiten testen will oder weil die Wunschyacht nicht „ab Stange“ erhältlich ist.

Wiederum fanden sich rund 60 RG Mitglieder im Mittenza ein, um von Selbstbauern von Yachten zu lernen und sich möglicherweise zu einem „Abenteuer“ inspirieren zu lassen.

Grau ist alle Theorie, deshalb wurde in kleinen Gruppen – parallel zur Präsentation – an kleinen Schiffchen gebaut, dies auf Basis von einigen Holzbrettchen, Leim, Klebband und einem Holzstäbchen für den Mast. Motiviert durch einen Preis in Naturalien wurden phantastische Designs entwickelt, jedes gewinnverdächtig, jedes im Riss einzigartig und alle schwimmfähig …

Entweder wurde durch dieses „learning by doing“ die Lust am ganz grossen Projekt geweckt oder man erkannte, dass ein solches die eigenen Fähigkeiten übersteigen würde. On verra …

Zweifelsohne hat es allen Beteiligten Spass gemacht, an einem Stammabend selbst aktiv sein zu können, die Überraschung war perfekt!

Was braucht es, um ein Schiff selbst bauen zu können?
a) Motivation
b) Zeit
c) Geld
d) Infrastruktur (Halle, Werkzeuge)
e) Eine / einen geduldige(n) und verständnisvolle Partner(in)

Man muss sich bewusst sein, dass eine „Standardyacht“ auf dem Markt kostengünstiger zu haben ist, als ein äquivalenter Selbstbau. Abgebrochene Projekte können nur zum „Schrottpreis“ veräussert werden und auch eine fertiggestellte Yacht ist oft nur massiv unter den Gestehungskosten zu verkaufen, denn praktisch niemand bezahlt für die hoch kreativen Ideen eines Einzelnen, die meisten potentiellen Kunden orientieren sich am Mainstream.

Für eine 10 Meter Yacht benötigt man ca. 2‘000 Stunden oder umgerechnet 5.5 Jahre, wenn man 666 Abende à 3 Stunden und 3 Abende pro Woche kalkuliert. Dieser Zeitrahmen ist natürlich approximativ zu verstehen. Persönliche Herausforderungen wie Jobwechsel oder auch der Wechsel der Halle an einen entfernteren Ort lassen die Zeitbudgets oft explodieren. Nach der Devise „small boats – big fun!“ sollte man nicht mit einer 60 Fuss Yacht beginnen, deren Vollendung die Enkel feiern dürften …
Maurus Wenger hat deshalb auch mit einem kleinen Holzbötchen begonnen und war nach der Fertigstellung überzeugt, dass er auch grössere Projekte erfolgreich in Angriff nehmen kann. Gabriel, der zur Zeit eine Alu-Yacht baut, bringt entsprechende beruflichen Fähigkeiten mit, ebenso Martin, der mit seiner Holzyacht alle zu begeistern wusste. Doch dieses Wissen taugt nur teilweise, denn bekanntlich verlangt der Bau einer Yacht die Fähigkeiten vieler Berufsgattungen. Hier ist teilweise die Unterstützung von Profis gefragt, will man letztlich ein perfektes und sicheres Boot, und zwar innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens.

Maurus hat seine halbfertige Yacht „Geisha“ für 4‘800 EUR via eBay ersteigert und war beim Erstanblick geschockt, denn der Erbauer hatte eine Chaletbauweise für das Interieur gewählt, die nicht ausbaufähig war.

Zuerst musste die Yacht während eines Jahres ausgeweidet werden (dabei wurden 10 Jahre Arbeit und ein Grossteil der 55‘000 DM Investitionen des Vorgängers zerstört), bevor mit dem Innenausbau neu begonnen werden konnte.

Diese „spannende“ Arbeit wurde intellektuell ergänzt um die Lektüre entsprechender Fachbücher, deren Anzahl kontinuierlich wuchs … Wer will, kann v.a. auch in England Kurse für Selbstbauer (boat buidling academy) besuchen. Wer ein Jahr Zeit hat und einiges Geld auf dem Konto, kann sogar als Bootsbauer ein Diplom erwerben. Maurus hat einige dieser Kurzkurse besucht, was er nur empfehlen kann, v.a. für Personen, die keinen technischen Background haben.

Sein Budget betrug 75‘000 CHF, wovon 58‘000 CHF für Materialien und Lieferanten, 2‘000 für den Bauplatz und 15‘000 für die Werkstatt. Budgetrestriktionen machen erfinderisch. Am billigsten kommt man zu Materialien, wenn man von abgebrochenen Projekten profitieren kann. So kam Maurus beispielsweise sehr günstig zu einem Dieselmotor.

Wie kommt man aber zum entsprechenden Wissen? Es gibt – wie oben erwähnt – die Variante „Kurse“. Billiger und effizient ist sicherlich auch die Devise „the work will teach you the work“ und die Diskussionen unter Selbstbauern. Trotz allen Bemühungen gibt es aber Themen, wo Lieferanten schneller, besser und letztlich billiger sind als die Versuche, selbst Hand anzulegen.

Maurus warnte vor den „Stahlyacht-Schnäppchen“, die sich oft als Rosthaufen entpuppen, deren Sanierung extrem teuer und aufwändig werden. Ein abschreckendes Beispiel hatte er auch bereit, die zeigten, wie aus einer rostigen Yacht sauber aufbereitete Stahlbleche werden … Auch Kunststoffyachten sind eher schwierig zu bauen, denn diese bedingen entsprechende Negativformen. Auch Alu- und Stahlyachten setzen ein entsprechendes Know-how voraus. Gabriel hat bspw. die Pläne für seine Glacer 52 auf CAD umgearbeitet und verfügt über entsprechende Schneideeinrichtungen in seinem eigenen Unternehmen und logischerweise auch über das materialtechnische Können aufgrund seines Berufs. Mit gutem Willen kommt man bei solchen Projekten nicht weiter …

Maurus‘ Feltz Skorpion 1A nahm während des Vortrags Schritt für Schritt Gestalt an und bald konnte man das Schlussresultat, aber auch das noch anstehende Arbeitsvolumen erahnen.

Die Tischlerarbeiten für den Innenausbau zeigten Maurus‘ Präferenz zum Pragmatismus, während Martin hier im Detail ein wahres Bijou entwickelte. Der Referent war in diesem Punkt sehr klar. Es ist besser, ein Projekt innerhalb des Budgets und zu einem definierten Zeitpunkt zu realisieren, als endlos zu perfektionieren. Einigen – wie Martin – gelingt offenbar die Quadratur des Kreises, dies dank gütigem Support durch eine perfekte Infrastruktur und eigenem Know-how im Holzbau.

Nach der Laminierung und der Fertigstellung der Innenausbauten wurde die „Geisha“ im Hafenbecken 2 (dem durch die Basler Fasnacht berühmtesten Hafenbecken der Schweiz!) gewassert und ging anschliessend auf eine Rhein- und Kanalfahrt im nahen Frankreich. Es war ein Erfolgserlebnis, die Yacht schön balanciert schwimmen zu sehen. Konstruktive Fehler werden beim Stapellauf schonungslos aufgezeigt, bedingen massive Umbauten und sind sicherlich sehr frustrierend für den Selbstbauer. Der Adrenalinspiegel des Erbauers bei der Einwasserung war entsprechend hoch.

Als nächstes ist noch das Rigg zu stellen, eine Aufgabe, die Martin schon hinter sich gebracht hat. Leider führte ein erster kleiner technischer Fehler zum Verlust des Riggs, einer zerstörten Reling und Schäden an Deck. Wahnsinn, wenn man gesehen hat, wie sorgfältig Martin das Teakdeck verlegt hat.

Bevor es auf grosse Fahrt gehen kann, ist noch die Zulassung zu überstehen. Hier empfiehlt sich eine enge Kooperation mit dem Experten während der gesamten Bauphase. Eine CE Konformität ist schwierig zu erhalten, eine Hochseezulassung dürfte jedoch bei Einhaltung der Basics zu erreichen sein. Schwieriger ist da schon die kantonale Zulassung … Als Binnenland verfügen wir auch auf diesem Gebiet wieder mal über die Topexperten …

Mit dem besten Dank an den Referenten, einem sehr grossen Applaus für alle Mitwirkenden sowie der Verleihung des ersten Preises für den besten Modellbau durch die ad-hoc Jury, ging ein hervorragender Stammabend zu Ende, der sich für alle Besucher sicherlich gelohnt hat.

Captain Andreas Schneeberger

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